Kultur- und Geschichtsverein
Frickhofen e. V.

Aus der Fülle dieser Artikel möchten wir Ihnen - mit freundlicher Genehmigung des Verlages bzw. der jweiligen Autoren - in diesem Rahmen einige besonders interessante Beispiele zusammenstellen. Zur besseren Orientierung haben wir versucht, die jeweiligen Artikel thematisch zu ordnen.

Artikel von Heribert Heep

Entwicklung der Vereine in Frickhofen

Zur wirtschaftlichen, sozialen und politischen Situation in Frickhofen

Geschichte einzelner Familien und Personen

Zur Geschichte der Juden in Frickhofen

Weitere Themen

48er-Revolution und Volksbewaffnung auf dem Lande

Rückblickend auf das Revolutionsjahr schrieb der Langendernbacher Lehrer Johann Form: "Wie das Jahr 1848 wird die Geschichte keines aufweisen können, welches so verderblich auf die Menschheit wirken konnte. In allen Gauen Deutschlands und in Frankreich brachen Revolutionen aus, hier in Nassau unterm 4. März. Der Fürst sah sich genöthigt, dem Volke zu gewähren, was es verlangte..." Der alte Lehrer Form urteilte verbittert über diese Revolution, die ihm persönlich Nachteile gebracht hatte. So mußte er von Mai bis Dezember 1848 die 277 Langendernbacher Schüler allein unterrichten, von morgens bis spätnachmittags - ohne einen Kreuzer Gehaltszulage.

Ähnlich negativ äußerte sich der Frickhöfer Lehrer Dickopf zum Jahr 1848: "Die französische Revolution und Stürzung des Königsthrones vom Februar d. J. verbreitete ihre unheilvollen Folgen über ganz Deutschland. Alle, jung und alt, groß und klein, strebten nach Freiheit und Unabhängigkeit. Auch die Bewohner Nassaus schaarten sich unter Anführung des jetzigen Ministers Hergenhahn am 4ten März des Jahres in Wiesbaden zusammen und verlangten von seiner Hoheit, dem Herzog, die unbedingte Genehmigung nachstehender 9 Forderungen:

  1. Allgemeine Volksbewaffnung mit freier Wahl seiner Anführer, namentlich sofortiger Abgabe von 2000 Flinten und Munition an die Stadtbehörde von Wiesbaden.
  2. Unbedingte Preßfreiheit,
  3. sofortige Einberufung eines deutschen Parlaments,
  4. sofortige Vereidigung des Militärs auf die Verfassung,
  5. Recht der freien Vereinigung,
  6. Öffentlichkeit, öffentliches mündliches Verfahren mit Schwurgerichten,
  7. Erklärung der Domäne zum Staatseigenthum unter Controlle der Verwaltung durch die Stände.
  8. Sofortige Einberufung der genannten Kammer lediglich zur Entwerfung eines neuen Wahlgesetzes, welches auf dem Hauptgrundsatz beruht, daß die Wählbarkeit nicht an einen gewissen Vermögensbesitz gebunden ist.
  9. Beseitigung aller Beengungen der uns verfassungsmäßig zustehenden Religionsfreiheit."

An ersten Stelle der Forderungen stand also die "allgemeine Volksbewaffnung". Wieso war den Wiesbadener Initiatoren der Revolution gerade diese Forderung so wichtig - "sofortige Abgabe von 2000 Flinten", wozu die rasche Militarisierung des Volkes? Der damalige Präsident der adligen Her-renbank, Graf von Walderdorff aus Molsberg, hatte in einer Grußadresse vom 8. März an den Herzog die Volksbewaffnung so interpretiert, daß die Bürgergarden ein neues Pfand der Ordnung und Gesetzlichkeit, dieser einzigen Grundlage einer gedeihlichen, sicheren Zukunft seien. Die noch bestehende alte Landesregierung beeilte sich, die neue Einrichtung gesetzlich zu regulieren und als Zweck ebenfalls "die Erhaltung der inneren Ordnung und Sicherheit der Person und des Eigenthums" zu bestimmen. (§ 2 des landesherrlichen Edicts vom 12. März 1848)

Auf dem Land jedoch war weder die städtische Anleitung noch die herzoglichen Anordnung notwendig. Spontan und mit großem Zuspruch bildeten sich die Bürgerwehren. In der Schulchronik von Dorndorf heißt es dazu am 25. April 1848: "Sehr unangenehm berührt jeden ordnungsliebenden stillen Bürger das ganze gefährliche Schießen in den Dörfern, welches mit Aufgang der Sonne fast täglich beginnt und nachts 12 Uhr noch nicht geendet hat. Man hat sich bis dahin zu wundern, daß dieses gefahrvolle Spiel noch keine Menschenleben gekostet hat. weil es ohne Rücksicht von ungeübten, gleichgültigen Menschen getrieben wird. An ein Entgegenwirken von Seiten der Polizei ist keine Gedanke. - Kaum kennt man das Wort Polizei mehr." Tatsächlich hatte die Bürgerwehr als eine Art Volksmiliz die Funktionen der Polizei übernommen oder sollte es wenigstens. Diese Äußerung des Schulchronisten belegt jedenfalls, daß "in den Dörfern" im Rahmen der Bürgenwehren und wohl auch außerhalb der Wehrübungen fleißig das Waffenhandwerk praktiziert wurde - natürlich auch privat zum fröhlichen Jagen.

Eine spätere Chronik, ca. 1925 aufgeschrieben vom damaligen Lehrer Horn, bestätigt die Volksbewaffnung für Frickhofen: "Im Jahre 1848 hielten die Einwohner unter der Führung des Bürgers Weber (Vater des jetzigen Flurschützen) eifrig Übungen im Exerzieren und im Gebrauch der Waffen ab. Der Schießstand befand sich auf dem jetzigen Marktplatz. Von dem Kirchturm wehte stolz die schwarz-rot-goldene Fahne, die zusammen mit der Trommel des Revolutionstambours noch lange auf dem hiesigen Bürgermeisteramt aufbewahrt wurde. Frickhofen brachte im Jahre 48 auch einen Hauptmann und angeblich einen Leutnant hervor. Von dem ersten steht fest, daß er bei Magdeburg oder Hamburg kämpfte, und heute noch trägt die Familie den Dorfnamen 'Hauptmanns'. Auf denselben Ursprung soll der Dorfname 'Leutnants' zurückzuführen sein."

Man kann davon ausgehen, daß es in allen Dörfern des Westerwaldes diese Bürgerwehren gab. also auch in Wilsenroth, Thalheim und Langendernbach, in denen sie durch die Schulchroniken nicht zu belegen sind. Außerdem war die Volksbewaffnung ja gesetzlich angeordnet. Im § 5 der lan-desherrlichen Volkswehrverordnung vom 12.3. heißt es: "Verbindlich zum Dienst als Wehrmann ist jeder waffenfähige Nassauer vom vollendeten 16ten bis zum zurückgelegten 54ten Lebensjahr". Der Waffendienst galt als "öffentlicher Ehrendienst". Deshalb wurde nur auf Mehrheitsbeschluß hin ein geringes Exerziergeld bezahlt. Außerdem sollten sich die Leute die Waffen selbst besorgen: "Muskete mit einem Bajonnet oder ein Jagdgewehr", bei fehlenden Mitteln auch "Piken". Die 'Uniformierung" bestand in einer schwarz-rot- goldenen Kokarde, die an den Hut oder den Rock gesteckt wurde. Für Frickhofen wird auch berichtet, daß eine Frau zumindest an den öffentlichen Wachen teilgenommen hat. Ein nach Essen ausgewanderter Johann Georg Brötz schreibt in seiner Familienchronik zu seiner Frau Anna Maria Klee, geboren 1831 in einer Musikerfamilie: "Im Revolutionsjahr 1848 machte man in Frickhofen auch eine kleine Revolution... Des Nachts mußten immer einige Familien abwechselnd Wache halten. Wie die Reihe an ihre Familie kam, mußte sie, weil ihr Vater und ihre Brüder auf einer (Konzert-) Reise in England begriffen waren, mit Wache halten. Man sang Struve- und Heckerlieder."

"Struve und Hecker", die standen für ein anderes Ziel der Volksbewaffnung auf dem Lande. Der badische Abgeordnete Dr. Friedrich Hecker hatte am 12. April 1848 auf einer Volksversammlung in Konstanz die Bürger dazu aufgerufen, in einem bewaffneten Zug zum Sitz des Großherzogs nach Karlsruhe für die Republik zu kämpfen. Als die schließlich auf 800 Mann angewachsene Kolonne am 20. 4. in Kandem bei Lörrach ankam, standen ihnen Tausende gut ausgebildete hessische und badische Soldaten unter dem Kommando des Generals Friedrich von Gagern, Bruder des späteren Paulskirchenpräsidenten, gegenüber. Bei dem folgenden Scharmützel fiel Gagern, die schlecht bewaffneten Revolutionäre zogen sich bald zurück, Hecker emigrierte in die Schweiz. Im September versuchte es der Mitkämpfer Gustav von Struve noch mal mit einer republikanischen Erhebung in Baden. Trotz der Niederlagen wurden beide Revolutionäre zu Volkshelden, in zahlreichen Liedern besungen:

Hecker und Struve

Seht, da steht der große Hecker,
eine Feder auf dem Hut!
Seht, da steht der Volkserwecker,
lechzend nach Tyrannenblut!
Wasserstiefeln, dicke Sohlen.
Säbel trägt er und Pistolen

Durch die Baar tat man jetzt wandern
und hernach ins Wiesental,
und daselbst stieß man bei Kandern
auf Soldaten ohne Zahl.
Edler Gagern, wackre Hessen.
wollt ihr euch mit Hecker messen?

Gagern, du kommst nicht zurück.
Vivat, hoch die Republik!

Gagern wollt' parlamentiren,
doch das ist nicht Heckers Art.
"Ich", sprach er, "soll retiriren,
ich mit meinem schönen Bart?"
Ach, nun hört man Schüsse knallen.
Genâral Gagern sah man fallen.

Und das Corps zog sich zurück. -
aus war's mit der Republik!

Aber so hat's kommen müssen,
denn Jesaia. der Prophet,
hat darauf schon hingewiesen,
weil allda geschrieben steht:
"Disteln tragen eure Aecker,
jed' Kameel hat seinen Hecker."

Folgt mithin aus dieser Red,
daß es durcheinander geht.

Hecker emigrierte im September 1848 endgültig nach Amerika und ließ sich bei St. Louis als Farmer nieder. Nach der endgültigen Niederlage der 48-er Revolution im Sommer 1849 dichteten Studenten das folgende Lied:

Wenn die Leute fragen, lebt der Hecker noch?
Könnt ihr ihnen sagen,
Ja. er lebet noch!
Er hängt an keinem Baume, er hängt an keinem Strick!
Er hängt nur an dem Traume der deutschen Republik!

Hubert Hecker