Kultur- und Geschichtsverein
Frickhofen e. V.

Aus der Fülle dieser Artikel möchten wir Ihnen - mit freundlicher Genehmigung des Verlages bzw. der jweiligen Autoren - in diesem Rahmen einige besonders interessante Beispiele zusammenstellen. Zur besseren Orientierung haben wir versucht, die jeweiligen Artikel thematisch zu ordnen.

Artikel von Heribert Heep

Entwicklung der Vereine in Frickhofen

Zur wirtschaftlichen, sozialen und politischen Situation in Frickhofen

Geschichte einzelner Familien und Personen

Zur Geschichte der Juden in Frickhofen

Weitere Themen

Blick zurück Anno 1900

Nachtwächter in Frickhofen

Hört ihr Leut' und laßt euch sagen ...!"

Den alten Nachtwächtern verdanken unsere Voreltern mancherlei Verhinderung von Diebstählen und Bränden zu nächtlicher Zeit. Die Polizei der Nacht", wie sie sich gerne betitelten, hatte in unserem unbewehrten Dorf eine ganz besondere Bedeutung zu jener Zeit, als es mit der öffentlichen Ruhe und Ordnung noch recht zweifelhaft bestellt war.

Erst in den letzten Jahrzehnten ist diese von so besonderer Poesie umgebene Gestalt des "Stundenbegleiters" verschwunden. Diese Entwicklung ist, so sehr die alte Einrichtung beliebt war, nicht bedauerlich im Hinblick auf die heute verbesserte "Nachtwache". Statt des Nachtwächterhorns übernimmt die alarmierende Funktion die Sirene. Feuerwehr und Landespolizei garantieren in ausreichendem Maße Feuer- und Katastrophenschutz zu jeder Tages- und Nachtzeit. Man kann es sich leisten, heute ohne den Nachtwächter auszukommen. Schließlich sind die Wohngebäude nicht mehr aus leichtentzündlichem Fachwerk gebaut, und die Dächer weisen keine Strohschindeln mehr auf. Sie sind heute massiv und feuer- unempfindlich. Die zahlreichen jährlichen Schadenfeuer gehören der Vergangenheit an.

Zur Zeit, als in Versailles am 18. Januar 1871 die Kaiserproklamation stattfand (Kaiser Wilhelm l.). ernannte Bürgermeister Giesendorf die Bürger Peter Weber und Peter Immel zu Nachtwächtern. Ihr Lohn betrug jährlich 120 Gulden. Ihre Aufgabe war der "Brandruf" und die "Stundenbegleitung" bis morgens um 4.00 Uhr. 1872 wurden sie in ihrem Amt durch Peter Jung und Jakobus Kunz abgelöst. 1875 traten an ihre Stelle der Balwierer (Barbier) Johannes Staudt und Peter Weber. Sie erhielten jährlich 60 Thaler.

Nach dem Tod von Peter Weber versah den Nachtwächterdienst (1888) Franz Hartmann allein, in den folgenden Jahren wechselt der Dienstinhaber noch oft.1903 ist es Johann Größchen IIl., 1904 Peter Stahl-Hörter. 1911 Georg Fröhlich und Josef Schneider. In diesem Jahre erhöhte sich das Jahresgehalt auf 300 Mark. 1914 führte die Gemeinde 3 ganznächtig brennende Straßenlaternen ein.

Vor der Jahrhundertwende trug der Nachtwächter zum Schutz gegen Regen und Schnee einen weiten schwarzen Umhang und einen breitrandigen Hut. in der Hand eine brennende Laterne und ein "Omarzabanche", einen schweren Wurzelstock, mit dem Aussehen eines Ameisenbeines, zur Abwehr von Gefahren. Der Stock hatte die früher übliche Hellebarde abgelöst. In dieser Ausrüstung "begleitete er die Stunden". Sein Backenbart, über dem die Augen funkelten, jagte den Fremden, die durchs Dorf gingen, Angstschauer ein. Nach diesem Stundengesang blies der Nachtwächter auf einem Horn so stark, daß den Bauern das Hörnervieh auf die Krippen sprang. Die schweren Hörner, deren tiefer Brüllton wie die Tuba des Weltgerichts über die Mauern donnerte, hatte die richtige Tonart für starke Bauernnerven. Später kam die Pfeife in Gebrauch, deren schriller Ton die gleiche Wirkung hatte. Sie war aber leichter zu tragen und erforderte weniger Lungenkraft vom Wächter.

Später wurde der Umgang und Stundenruf erweitert. Um 10 Uhr begann die Runde und endet mit dem Eintreffen des Frühzuges. Von einem Stundenrufen bis zum anderen hatte der Nachtwächter Ruhezeit. Entweder saß er mit dem Beiwächter im Wachlokal (altes Rathaus) beim Karten- oder Würfelspiel oder schlief auf der Pritsche. Noch vor dem ersten Weltkrieg (1914 - 1918) verzichtete die Gemeinde auf den "Stundenruf".

1916 waren Jakob Wüst, Egenolfstr., und Peter Schultheis Nachtwächter und Beiwächter. Später Ellersch Jesch (Georg Schardt), der Keller Jusep (Josef Heep) und Josef Stähler, Bergweg. Heep Nachtwächter-EhepaarLetzter Nachtwächter in Frickhofen war Jakob Hartmann (geb. 16. 7.1874) bis zu seinem Tode am 21.7.1952. Er war ein Dorforiginal und über die Gemeindegrenzen hinaus waren seine Witze und Schauermärchen bekannt. Er trank gerne einen "Kloore", den er gekonnt unter den Schnauzbart kippte, war der Freund der Obrigkeit, gerne gesehener Gast bei allen, die über die Polizeistunde sitzen blieben, hatte Kinder lieb und trug statt eines Schlagstocks den Revolver untergeschnallt, zu dem er keine Patronen hatte.

Während der Besatzungszeit durch die Amerikaner (1945 - 1947 machte auch Bills Grußer (Nachtwächter Hartmann) seinen Dienst treu und brav weiter. Mit den Amis war er vertraut und sprach mit ihnen "perfekt" englisch: "Gure, Ami, wo willst Dau da hi?" Da lachten die Amerikaner und entgegneten: "How du you do?" Bills Grußer entgegnete schlagfertig: "Hau Du ihn!" Man schüttelte sich die Hand und unser Nachtwächter bekam meist Kautabak oder einen Schluck Whisky aus der Taschenflasche.

Mit den Nachtwächterepisoden könnte man Bände füllen. Das ist schon eine Weile her und überall im Nassauer Land "aus der Mode geraten".

(von Heribert Heep 1972)